Segelfreizeit der EJ Winsbach

Neues wagen – Sail Thor Heyerdahl 2024  

Voll freudiger Erwartung und in guter Erinnerung an vergangene Törns treffen wir uns am Busparkplatz und können es gar nicht erwarten, dass es losgeht. Bereits auf der achtstündigen Busfahrt werden wir jedoch mit einer erheblichen Neuerung konfrontiert. Dieses Jahr werden wir ein gänzlich anderes Wachsystem, also eine neue Einteilung der Wachzeiten und sonstigen auf See anfallenden Aufgaben, erproben. Kann das wirklich funktionieren? Ein erstauntes Murmeln geht durch den Bus. Daraufhin folgt die nächste Überraschung: Unser Törn startet nicht wie gewohnt in Kiel, sondern in Rostock und wir  dürfen sogar Teil der Hanse Sail sein!  

Als wir im Hafen am Liegeplatz ankommen, ist die Thor Heyerdahl gerade unterwegs auf einer Tagesfahrt – ohne uns! So nutzen wir die Zeit des Wartens auf die Ankunft unseres Schiffs, um die vielen kleinen und großen Segelschiffe der Hanse Sail zu bestaunen. Ein Teil der Gruppe fährt mit der S-Bahn nach Warnemünde, wo die Gorch Fock zum „Open Ship“ einlädt. Begeistert wird das Deck des großen Segelschulschiffs der Marine erkundet und diejenigen, die schon einmal auf der Thor Heyerdahl gewesen sind, tauschen ihre Segelexpertise mit den Kadetten der Bundeswehr aus. Diese sind beeindruckt von uns und von der Vorstellung, dass wir Jugendliche auf einem Traditionssegler alle nautischen Arbeiten in Eigenverantwortung erledigen dürfen. 

Am Abend ist es endlich so weit: Das Schiff kann von uns in Besitz genommen werden und jeder bezieht seine Koje. Die Jugendlichen, die das erste Mal dabei sind, staunen über den imposanten Dreimaster, der in den nächsten zehn Tagen unser Zuhause sein wird. Nach der offiziellen Begrüßung durch unseren Kapitän Joachim, der Sicherheitseinweisung und der Wacheinteilung legen wir ab. Kurz darauf gehen wir schon vor Anker, denn die erste Nacht soll wegen der anstrengenden Busfahrt noch einmal in Ruhe verbracht werden. Trotzdem treten die Teilnehmenden bereits ihre Nachtwache an, üben sich im Peilen und sorgen für die Sicherheit des Schiffs. Ja, auch ein Schiff benötigt eine 24/7 Betreuung.  

Am nächsten Tag werden die Jugendlichen mit der Handhabung der Klettergurte vertraut gemacht. Jeder darf auf die 30 Meter hohen Masten klettern und die atemberaubende Aussicht genießen. Anschließend setzen wir die Segel und führen auf unserer ersten Etappe in Richtung Dänemark Manövertraining wie Wenden und Halsen durch. 

Obwohl anfangs leichte Verwirrung wegen des neuen Wachsystems geherrscht hat, stellt sich in den folgenden Tagen schnell die Bordroutine ein: Wache, Schlafen, All-Hands-Manöver, Backschaft. Immer nach dem Frühstück ist Reinschiff an der Reihe. Jede Wache bekommt einen Bereich zum Putzen zugeteilt, denn bei 50 Personen ist jede Menge zu tun. In unserer Freizeit werden „Uno“ und „Halt Mal Kurz“ zu unseren Lieblingsspielen. Auch kulinarisch werden wir bestens von der Backschaft,  verköstigt – jeder ist mal dran! Neue Lieblingsspeise: Kaiserschmarrn! 

Besonders freuen wir uns, als unser Kapitän verkündet, dass wir eine Nacht durchsegeln werden: ein völlig neues Erlebnis für alle Teilnehmenden, da dies in den letzten Jahren nicht möglich gewesen ist. Unter dem leuchtenden Sternenhimmel auf einem Schiff mit gesetzten Segeln zu fahren, ist einfach großartig! 

Nach ein paar Tagen steht die lang ersehnte Expedition bevor. Die Vorbereitungen beginnen, die gepackten Seesäcke, Essenstonnen und Wasserkanister stauen sich an Deck an und die vier Expeditionsschlauchboote werden bereit gemacht. Schließlich erreicht die Thor Heyerdahl unser Expeditionsgebiet, diesmal ein für wirklich alle Jugendlichen unbekanntes Terrain. Die randvoll mit Gepäck und Leuten geladenen Boote stechen in See. Zwei Tage und zwei Nächte als Gruppe auf sich allein in der Wildnis gestellt zu sein – das ist Abenteuer pur! Obwohl es zwischendurch stark regnet, lässt sich niemand davon unterkriegen.  

Als alle Wachen wieder glücklich und wohlauf das Schiff erreichen, machen wir uns auf den Weg nach Faaborg, ein Hafen, in dem auch noch keiner von uns vorher gewesen ist. Dies lässt sofort Zweifel aufkommen: Wird es dort auch so gutes Eis wie in Marstal, wo wir normalerweise sind, geben? Das können wir nur bestätigen! Eine große Eisdiele wird sofort gefunden und jeder lässt sich die für Dänemark typischen riesigen Eiskugeln schmecken. Daraufhin erkunden wir die dänische Kleinstadt und besteigen einen kleinen Berg, von dem wir einen herrlichen Ausblick über Faaborg haben und sogar unser Schiff in der Ferne entdecken. Nach dem gemeinsamen Grillen an der Pier wird der Abend mit Gitarre, Cajon und unseren Lieblingslagerfeuerliedern abgerundet.  

Wieder auf hoher See nutzen wir noch einmal die vom Wetterbericht angekündigten guten Windverhältnisse und setzen fast alle Segel, sogar die zwei, die in den letzten Jahren von uns nicht benutzt worden sind. Nach mehreren verzweifelten Versuchen und lautstarken Kommentaren gelingt uns dies schließlich doch. So können wir stolz während der Fotosafari von unserem Beiboot aus alle von uns gesetzten Segel bewundern. 

Zum Schluss wird es aufregend: Die Schiffsübergabe steht bevor! Die Teilnehmenden übernehmen das Schiff, wählen ihren eigenen Kapitän und fahren selbst die Thor Heyerdahl zurück nach Kiel. Am Ankerplatz angekommen starten wir mit einem Gottesdienst in unseren letzten gemeinsamen Abend an Bord, bei dem „Neues wagen, verständliche Skepsis und ein gutes Ende“ zentrale Themen sind. Beim Käpt’ns-Dinner serviert die Backschaft ein Drei-Gänge-Menü, das durch kulturelle Beiträge von den Erlebnissen der Expedition und durch Seemannsgarn umrahmt wird. 

Der Abreisetag ist da: die Taschen werden gepackt, ein letztes Mal wird das Schiff geputzt und der Liegeplatz der Thor Heyerdahl erreicht. Nach unserem Abschlussritual müssen wir uns leider von unserem Zuhause der letzten zehn Tage verabschieden.  

Nächstes Jahr kommen wir auf jeden Fall wieder!